Katrin Rommer: fiktiver Tagebucheintrag Marie Christinas

Nun ist es vollendet.  Dieses Bild gelang mir wirklich vortrefflich. Meine Mutter wird sich bestimmt sehr darüber freuen, dieses private Bild der Nikolausbescherung unserer Familie von mir geschenkt zu bekommen.
Es machte mir ungemein viel Spaß, mein künstlerisches Talent an diesem Bild zu zeigen.
Meine Mutter wird es bestimmt verstehen, warum ich nur sie, meinen Herrn Vater, meine drei jüngsten Geschwister (Ferdinand Karl, Maria Antonia - mit ihrer Lieblingspuppe - und den kleinen Maximilian Franz) sowie mich gemalt habe. Von uns 16 Kindern waren Maria Elisabeth, Marie Karolina, Karl Joseph und Karolina schon tot. Und all die anderen mögen mich nicht, da sie doch immer meinen, ich wäre eine Petze. Daher befand ich es nicht für nötig, sie auf diesem Bild zu verewigen. Es stimmt, ich habe eine sehr gute Beziehung zu Mutter - sie gebar mich ja genau an ihrem Geburtstag, dies verbindet uns sehr - und ich erzähle ihr, was die anderen planen, doch das kommt mir ja nur zugute. So vertraut sie mir und ich habe sie besser in der Hand und bekomme eher, was ich möchte. Bei 16 Kindern ist es schwierig, sich durchzusetzen. Ich habe eine Möglichkeit gefunden, meine Mutter so zu beeinflussen, dass sie mir all meine Wünsche erfüllt.
Wenn doch nur mein Vater nicht so stur wäre. Er meint, ich solle mit dem Lothringer Herzog con Chablais verlobt werden, doch den möchte ich auf keinen Fall zum Mann nehmen. Ich möchte meinen Cousin 2. Grades, Herzog Albert Kasimir von Sachsen-Teschen, heiraten. Ihn liebe ich schon lange. Meine Schwestern dürfen auch nicht entscheiden, wen sie heiraten wollen, sagt er immer, wenn ich ihm mein Anliegen vorbringe.
Sogar meine 12 jährige Schwester, Johanna Gabriela, ist schon mit dem König von Sizilien, Ferdinand I., verlobt. Sie ist wirklich ein reizendes Mädchen, jeder mag sie. Ich verstehe nicht, wie Vater es ihr antun kann, einen fremden Mann zu heiraten. Wir alle sehen ihr an, wie unglücklich sie ist. Noch dazu geht es ihr gesundheitlich sehr schlecht. Ich vermute, sie wird bald der schwarze Tod heimsuchen.
So wie ich Vater kenne, wird er nach ihrem Tod Maria Josepha mit Ferdinand I. verloben. Ihm ist es immer nur wichtig, dass er durch die Heirat mehr politischen Einfluss bekommt. Dies ist auch der Grund, warum ich Albert nicht heiraten darf – er hat zu wenig Einfluss in der Gesellschaft. Vater versteht einfach nicht, dass ich Albert über alles liebe. Mutter ist in dieser Hinsicht viel einsichtiger und unterstützt mich so gut sie kann.
Ich weiß, dass ich froh sein kann, mit 20 Jahren noch nicht verheiratet worden zu sein, doch lange werde ich mich nicht mehr dagegen wehren können. Auch wenn ich meinen Vater durchaus liebe, wünsche ich mir, um eine glückliche Zukunft mit meinem Liebsten haben zu können, seinen Tod. Wäre mein geliebter Vater tot, würde Mutter bestimmt unserer Heirat zustimmen und ich hätte das, was ich immer wollte. Albert ist der richtige Mann für mich.
Doch mein Herz gehört nicht nur ihm, auch Isabella spielt in meinem Leben eine bedeutende Rolle. Neulich bekam ich wieder einen Brief von ihr. Isabella ist eine wirklich beeindruckende Frau. Ihre Stärke, Schönheit und Klugheit bewundere ich jeden Tag. Wie konnte sie nur meinen Bruder heiraten, diesen Flegel. Er war immer einer der ersten, der mich als Petze bezeichnete. Das einzig Gute an ihm ist, dass er Isabella an den Hof holte.
Ach, wie sehr ich es liebe, wenn ich die immer mit derselben Zeile beginnenden Briefe an mich lese. Die Worte „Liebste Mimi“ höre ich noch abends im Schlaf. Doch las ich dieses Mal in ihrem Brief ihre Traurigkeit und ihren Wunsch zu sterben noch viel stärker als sonst heraus. Doch warum nur möchte sie das? Ihre kleine Tochter Maria Theresia und ich sind ihr ein und alles.
Und ich werde, genauso wie ihre geliebte, verstorbene Mutter, immer für sie da sein und sie wird auf ewig einen Platz in meinem Herzen haben. So schließe ich Isabella jetzt, wie jeden Abend, in meine Gebete ein und hoffe darauf, noch viele schöne Tage mit ihr verbringen zu können. Ebenso hoffe ich, dass mein Vater einsichtig wird und mir die Hochzeit mit Albert gestattet.